Die Reden dieser ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause und auch der geplatzte Migrationsgipfel offenbarte, wie weit der Kanzler und seine Ampel von der Wirklichkeit entfernt sind. Friedrich Merz legte zum wiederholten Mal den Finger in die klaffende Wunde und tat das einzig Richtige: Er legte die kosmetische Behandlung der Ampel offen.
Scholz will die Migrationskrise bewältigen, so sagt er, aber was tut er? Ein 20-seitiges Papier mit Statistiken, welches uns in dieser Woche präsentiert wurde, soll es richten ungeachtet der bitteren Realität. Die Kommunen ächzen unter der schier erdrückenden Last der Zuwanderung, die Sicherheitsbehörden schlagen Alarm, aber Scholz und seine Ampel-Kollegen glauben weiter an ihren „Prozess“. Ein Prozess, der bisher nur eins zeigt: Diese Regierung ist handlungsunfähig.
Umfassende Zurückweisungen an der Grenze sind notwendig – daran führt kein Weg vorbei, doch das ist für Scholz und vor allem die Grünen ein Tabu. Denn nur wer die Kontrolle über die Grenzen hat, kann auch die Kontrolle über das Land behalten. Die derzeitige Bundesregierung möchte jedoch lieber weiterhin ihre Illusion von offenen Grenzen und humanitärem Idealismus aufrechterhalten, während der Rest der Republik sich fragt, wie lange das noch gut gehen kann.
Und dann ist da noch die FDP – die Partei, die gerne in zwei Welten leben möchte. Da steht Bijan Djir-Sarai, der Generalsekretär, und plaudert im Plenarsaal mit Merz, Spahn und mir. Die Botschaft ist klar: In der Asylpolitik ist die FDP der Union näher als den Grünen. Und so entsteht der Eindruck, als würde die FDP sehnsüchtig auf eine christlich-liberale Zukunft blicken, während sie sich noch krampfhaft an die Ampel klammert. Es ist ein politischer Spagat, der nicht ewig halten kann.
Licht und Schatten gab es aber in dieser Woche nicht nur auf der politischen Bühne im Plenarsaal unter der Kuppel des Reichstags, auch jenseits des Atlantiks gab es ein Rededuell, das sehenswert war. Donald Trump und Kamala Harris trafen sich zum ersten TV-Duell – und was soll man sagen? Trump ist und bleibt der erratisch wirkende Entertainer mit jeder Menge Hassrede, abstrusen Verschwörungsgeschichten, während Harris versucht, dagegen zu halten. Ihr Auftritt war ein Lichtblick in diesem Wahlkampf, der auch über unsere europäische Zukunft entscheiden wird.
Für die CDU ist klar: Europa muss sich auf eigene Füße stellen. Die Abhängigkeit von den USA in der Außen- und Sicherheitspolitik war schon immer eine Schwäche, aber mit Blick auf den kommenden Winter wird sie zu einer existenziellen Bedrohung. Gerade jetzt, wo der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in eine neue Phase tritt. Und so war es für mich erstaunlich, wie wenig über den Krieg in dieser Sitzungswoche gesprochen wurde. Vielleicht liegt es daran, dass die Realität zu bedrückend ist. Der Winter steht vor der Tür, und 80 Prozent der ukrainischen Energieinfrastruktur sind zerstört. Was passiert, wenn das Land seine Menschen nicht mehr versorgen kann? Die Antwort stimmt nicht froh: Eine neue Fluchtwelle wird Europa treffen, und Deutschland wird im Zentrum stehen. Wir steuern hier auf die nächste existenzielle Krisenlage zu.
Die Frage, wie wir dem Thema Migration begegnen, ist zu einer Schicksalsfrage für Deutschland geworden. Ich habe die Befürchtung, dass auch das nächste Wahlergebnis in Brandenburg, wie auch schon der Wahlausgang in Thüringen und Sachsen, der Ampel nicht die überfällige Einsicht bringen wird. Es braucht einen radikalen Kurswechsel wie in der Russland- und Verteidigungspolitik nach dem Überfall Putins auf die Ukraine – wir haben das verstanden. Für uns ist die Zeitenwende, weder ein Sondervermögen noch eine Worthülse.
Herzlichst,
Ihr Peter Beyer