Die Luft unter der Kuppel des Reichstages war in der vergangenen Sitzungswoche des Deutschen Bundestages dick – dicker als in einer Berliner Raucherkneipe. In diesem Klima entfalteten sich blühende Debatten, die so „berauschend“ wirkten, dass man sich fragte, ob nicht irgendwo ein Fenster geöffnet werden sollte.
Zu Beginn der Woche setzte der Generalsekretär der FDP ein Rauchsignal, das jedoch im Orbit verpuffte. Zum wiederholten Mal machte die FDP eine Schwarz-Gelb-Ansage, die man als Einladung einer gemeinsamen Zukunft lesen konnte. Dass viele in der FDP unglücklich in der Ampel sind, ist physisch zu spüren und auch zu hören. Aber die Liberalen haben sich dazu entschieden, Teil dieser Regierung zu sein. Ursprünglich mit der Rechtfertigung, Schlimmeres zu verhindern. Fakt ist, dass Schwarz-Gelb im aktuellen Bundestag keine Mehrheit hätte.
Fakt ist auch, dass die FDP unverändert Verantwortung für die Ergebnisse dieser Regierung trägt und bereits mehr als einmal die Gelegenheit hatte, sich aus der Koalition zu verabschieden. Die FDP muss am Ende für sich entscheiden, ob sie in der Ampel bleiben will oder nicht.
Von Woche zu Woche wird es nicht nur unerträglicher, was uns die Ampel präsentiert, sondern auch verheerender für den Standort Deutschland. Das aktuellste Beispiel: Der Jahreswirtschaftsbericht.
Schon der Vater der Sozialen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, war überzeugt, dass Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie ist. Es braucht positive Anreize – eine Innovationspolitik ohne Einschränkungen. Wirtschaftsminister Robert Habeck (GRÜNE) schiebt die Verantwortung für das schwache Wirtschaftswachstum von sich und verweist auf die Zwänge der Schuldenbremse – und schiebt den schwarzen Peter damit Finanzminister Christian Lindner (FDP) zu. Schuld sei außerdem das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Dabei trägt Habeck schon allein mit seinem Titel „Wirtschaftsminister“ die Verantwortung dafür, wenn es mit der Wirtschaft in Deutschland nicht läuft. Die meisten Ökonomen sind sich einig, dass das Wachstum irgendwo unter einem Prozent liegen wird. Die Bundesregierung selbst ist mit 0,2 Prozent ziemlich pessimistisch, während die Industrievereinigung DIHK mit ihrer Schätzung von minus 0,5 Prozent das Schlusslicht bildet. Keine guten Aussichten, wenn auf der anderen Seite der Sozialstaat und seine Ausgaben wachsen. Irgendwer muss das zusätzliche Geld ja erwirtschaftet.
Die Folgen der Politik der Ampel sind selbst in Regionen mit einem gesunden Mittelstand verheerend. So blickt kaum ein Unternehmen im Kreis Mettmann laut aktueller IHK-Umfrage nicht zuversichtlich auf den weiteren Jahresverlauf. „Fast 13 Prozent aller Betriebe planen an ihren hiesigen Standorten im laufenden Jahr überhaupt keine Investitionen. Von den übrigen beabsichtigt jedes dritte Unternehmen zwar zu investieren, will das Budget aber kürzen. Nur jedes sechste hat demgegenüber steigende Investitionsausgaben eingeplant.“
Es gibt kaum ein Politikfeld, das nicht durch grobe handwerkliche Fehler der Regierung ins Wanken gerät. Wir haben es mit der Tendenz zu einer ökosozialistischen Planwirtschaft zu tun, die mit schuldenfinanzierten Subventionen unternehmerische Entscheidungen steuern will. Damit werden Habeck & Co. scheitern, wenn sie es nicht schon sind.
Nehmen wir das Vorhaben der Ampel zur Cannabislegalisierung – ein Thema, bei dem sich die Gemüter zu Recht erhitzten, obwohl es ein absolutes Randthema ist. Die Ampelkoalition möchte das Kraut aus der Schmuddelecke holen und dabei gleichzeitig den Bürokratiedschungel lichten – das Gegenteil ist der Fall. Richter fürchten eine Überlastung der Justiz durch die Amnestieregelung beim Cannabis-Gesetz.
Cannabis soll künftig nicht mehr zu den verbotenen Substanzen nach dem Betäubungsmittelgesetz gehören, Besitz und Konsum bleiben unter bestimmten Bedingungen straffrei. Die Abgabe soll in sogenannten Cannabis-Clubs erfolgen, gleichzeitig wird der Eigenanbau von drei weiblichen Pflanzen erlaubt. Im parlamentarischen Verfahren wurden die wenigen Schutzregelungen, etwa für Kinder und Jugendliche, immerhin noch einmal verschärft. So wurden zum Beispiel die Bannzonen um Schulen und Kitas verkleinert, die Freigrenzen heraufgesetzt und die Höhe der Bußgelder abgesenkt. Während wichtige Reformvorhaben im Gesundheitsbereich liegen bleiben, arbeitet die Ampel buchstäblich wie im Rausch daran, eine weitere Droge mit absehbar erheblichen negativen Folgen für die breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Bezeichnend war auch in dieser Woche die hitzige „Taurus“-Debatte, bei der sich die Ampel-Partner in eine Zwickmühle manövriert haben, die so ausweglos war, dass selbst Houdini sich nicht entfesseln könnte. Wir erlebten Szenen wie im Theater. Seit zwei Jahren attackiert die FDP-Abgeordnete und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die eigene Regierung in ihrem Ukraine-Engagement heftig. Der außenpolitischer Berater des Kanzlers, Jens Plötner, lästerte im vergangenen Jahr: „Boah, die Alte nervt! Jetzt eskaliert der Streit erneut auf offener Bühne. Denn der Kanzler blieb bei seiner Position, was die Lieferung des besonderen Waffensystems „Taurus“ angeht. Was die FDP-Abgeordnete dazu veranlasste, mit unserem Oppositionsantrag und gegen den ihrer eigenen Regierung zu stimmen. Ihre Argumentation: „Der Kanzler kommuniziert in dieser Frage nicht offen mit seiner Koalition.
Im Antrag der Ampel-Fraktionen wird die Bundesregierung aufgefordert, die Waffenexporte an die Ukraine auszuweiten. „Dies beinhaltet die Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition“, heißt es in dem Text. Strack-Zimmermann betonte, dass mit diesen Waffensystemen „nur Taurus-Marschflugkörper gemeint sein“ können – diese werden in dem Antrag jedoch nicht namentlich erwähnt, und der Kanzler habe dem widersprochen. Ein Bärendienst“, so Strack-Zimmermann. Szenen wie diese zeigen, dass die Ampel nicht verstanden hat, in welcher Lage sich die Ukraine befindet.
Zwei Jahre ist es her, dass Russland am 24. Februar 2022 mit seinem brutalen Angriff auf die Ukraine den Krieg, der bereits 2014 mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und dem Krieg gegen die Ostukraine begann, in katastrophalem Ausmaß zurück auf unseren Kontinent gebracht hat. Schon zehn Jahre kämpft das ukrainische Volk aufopferungsvoll für seine Freiheit, die Rückerlangung der territorialen Integrität seines Landes und die Bewahrung seiner politischen Souveränität – zentrale Säulen des Völkerrechts. Dabei kämpfen die Ukrainer auch für unsere Werte, die liberale, regelbasierte Ordnung und somit für die Sicherheit ganz Europas.
Die Lage der Ukraine verschlechtert sich mit jedem Tag weiter. Das britische Verteidigungsministerium registriert verstärkte Angriffe „an mehreren Stellen der Frontlinie“. Der Krieg ist nicht mehr statisch, Russland rückt unerbittlich vor. Die strategische Antwort fehlt: Deutschland wartet darauf, dass Europa sich bewegt. Und Europa wartet auf Deutschland.
Trotz dieser Bedrohungslage ist Deutschland von einem strategischen Paradigmenwechsel in der Außen- und Sicherheitspolitik weit entfernt. Die vom Bundeskanzler in seiner Rede vom 27. Februar 2022 ausgerufene „Zeitenwende“ ist über das Stadium der Ankündigung nie hinausgekommen. Die Zeit drängt. Die Bedrohungslage erfordert jetzt entschlossenes Handeln der Bundesregierung, national und in Europa. Noch zwei weitere Jahre der „Zeitlupen-Wende“ kann sich unsere Sicherheit nicht leisten.
Das politische Berlin hielt aber in dieser Woche noch weitere Debatten und Themen bereit. Gemeinsam mit meinem Kollegen Michael Müller, Vorsitzender der Enquete-Kommission, habe ich der Bundestagspräsidentin Bärbel Bas den Zwischenbericht der Enquete-Kommission „Lehren aus Afghanistan für das künftige vernetzte Engagement Deutschlands“ (zum Bericht) überreicht. Der Bericht war am Montagnachmittag von den Mitgliedern der Enquete-Kommission verabschiedet worden und am Freitag im Plenum debattiert worden. Meine Arbeit hat bereits jetzt einen maßgeblichen Beitrag zur Aufarbeitung der Stärken und Schwächen des vernetzten Ansatzes leisten können. Hier geht es zu meiner Rede.